Kapitel
In der indischen Verfassung sind 23 Sprachen (22 indische Sprachen und Englisch) als offizielle Sprachen anerkannt. Die nationale Regierung verwendet Hindi und Englisch, die Bundesstaaten und Unionsterritorien durften sich jeweils aussuchen, welche Sprache(n) auf ihrem Gebiet als Amtssprache(n) gelten soll(en).
23 Sprachen für ein Land – ist das nicht bisschen viel?, fragst Du Dich vielleicht. Ja, es mag so erscheinen, aber man darf nicht vergessen, dass Indien riesig ist und die indische Bevölkerung sehr heterogen, was Kultur und Sprache angeht. Außerdem sind 23 im Vergleich noch wenig, wenn man bedenkt, dass es in Indien ganze 122 Idiome und Dialekte gibt, die von mindestens 10.000 Menschen gesprochen werden (plus kleinere Sprachen, die weniger Sprecher haben) und nicht weniger als 30 Sprachen, die jeweils von mindestens 1 Million Menschen gesprochen werden!
Den größten Einfluss auf die Kultur Indiens von außen hatten das muslimische Mogulreich, das Maratha-Reich und die Kolonialherrschaft der Briten. Was den linguistischen Einfluss anbelangt, waren insbesondere Englisch und Persisch (Iranisch) ausschlaggebend.
Das Persische fand seinen Weg auf den indischen Subkontinent zur Zeit des muslimischen Tschagatai-Khanats (13.-16. Jh.), das 1526 durch Babur gegründet wurde. Um die Macht zu übernehmen, mussten die Mogule zuerst einmal die vielen Fürstenstaaten, aus denen Indien bis ins 16. Jahrhundert bestand, erobern (oder sich Untertan machen).
Das Rote Fort in Delhi wurde vor mehr als 400 Jahren erbaut und diente mehr als zwei Jahrhunderte lang als Hauptresidenz der herrschenden Mogulfamilie. Im Mogulreich wurde bei Hofe eine indo-persische Kultur gelebt. Die Herrscherfamilie nahm lokale indische Traditionen und Bräuche in ihr Leben auf, hatte aber auch viele kulturelle und sprachliche Aspekte aus Persien mitgebracht. Die Vorläufersprache von z.B. Hindi und Urdu – Hindustani – keimte zu dieser Zeit auf.
So vermischte sich das Persische langsam mit mehreren Dialekten von Śaurasenī, die in Zentralindien gesprochen wurden (vor allem Braj Bhasha, Awadhi und dem Dialekt Delhis).
Der Gebrauch bei Hofe sowie verschiedene Einwanderungswellen aus dem Westen führten dazu, dass immer mehr persische, aber auch arabische Wörter Eingang in das lokale Khari Boli (was so viel heißt wie "bestehende Sprache") fanden.
Ein weiterer Einflussfaktor waren die muslimischen Streitkräfte des Mogulreichs, die sich um die wichtigsten Siedlungszentren, u.a. Delhi, aufhielten. Die meisten Soldaten waren damals im Roten Fort untergebracht, in dessen Nähe sich der Urdu Bazaar entwickelte. Übrigens: "Urdu" bedeutet in etwa "Armee" oder "Lager". Und das ist auch die etymologische Wurzel des deutschen Wortes "Horde". Die persischsprachigen Soldaten kamen in Kontakt mit lokalen Geschäftsinhabern und Bewohnern – und das gilt natürlich auch für ihre Sprachen.
Obwohl das Persische die offizielle Sprache bei Hofe und auch innerhalb der soziokulturellen Institutionen der damaligen Zeit war, blieb das Arabische weiterhin die offizielle Sprache des Islams (auch auf dem indischen Subkontinent). Durch den Einfluss lokaler Idiome und Dialekte auf die damalige Lingua franca –Persisch bzw. Iranisch – über Soldaten, Prediger, Händler und örtliche Gerichte, hatte sich bis zum 17. Jahrhundert eine frühe Form des Hindustani entwickelt, bei dem die ursprünglich arabischen und persischen Wörter nach und nach durch Vokabular der örtlichen indischen Sprachen ersetzt wurden.
Hindustani: Die Entstehung einer gemeinsamen Sprache
Hindustani wurde zur universellen Sprache der hinduistischen und muslimischen Communities (auch wenn es nicht offizielle Amtssprache war). Das zeigt, wie sehr sich die beiden Zivilisationen in ihrer mehr als 300 Jahre andauernden Koexistenz gegenseitig beeinflusst haben.
Als Hindustani dann im 18. Jahrhundert "persianisiert" und um 1800 in anderen Teilen wiederum "sanskritisiert" wurde, entwickelte es sich in zwei verschiedene Sprachen weiter, nämlich Urdu und Hindi.
Allerdings blieb die Sprache bis 1837 die gemeinsame Vernakularsprache. Die Entscheidung, dass Hindustani in der persischen Schrift (also quasi Urdu) Persisch als offizielle Sprache ersetzen sollte, wurde von den damaligen britischen Herrschern getroffen.
Diese Ablösung führte zu einer dramatischen Spaltung zwischen Hindus und Muslimen, insbesondere im Norden Indiens, wo die hinduistische Mehrheit es lieber gesehen hätte, dass die Regierung und offiziellen Einrichtungen Hindustani im Devanagari-Alphabet verwenden (also quasi Hindi).
Nach jahrelanger Lobbyarbeit und politischen Machtspielchen setzte sich schließlich im Jahr 1949 Hindi (also das Devanagari-Skript) als offizielle Sprache der indischen Nation durch (also erst nach Ende der britischen Kolonialherrschaft in Indien).
Die Besonderheiten des Englischen in Indien
Englisch gelangte im Jahr 1611 nach Indien, als die Ostindienkompanie am Hofe des Mogulherrschers Jahangir aufschlug und sich die Handelsrechte für Indien sicherte.
Bei der East India Company handelte es sich um ein privat geführtes Unternehmen, das Aktionären gehörte und einem Verwaltungsrat in London unterstand. Es wurde gegründet, um mit den East Indies (das heutige maritime Südostasien) Handel zu treiben. Zu Beginn ging es wirklich nur um wirtschaftliche Aspekte, doch schon bald entwickelte sich die Unternehmung weiter und wurde zu einer de facto Regierung mit einer eigenen Armee und einem eigenen Rechtssystem.
Der Einfluss der Ostindienkompanie auf dem indischen Subkontinent wuchs über ein Jahrhundert lang stetig weiter an und im Jahr 1757 begann sie mit ihrer militärischen Expansion (dabei machte sie sich den Untergang des Mogulreichs zunutze). Während dieser Zeit war die offizielle Sprache der Kompanieregierung Englisch und auch das neugegründete Bildungssystem verwendete Englisch als Unterrichtssprache in Indien.

In weniger als 50 Jahren hatte dieses Privatunternehmen den Großteil Indiens sowie weitere Gebiete in Südostasien erobert.
Doch im Jahr 1858 schritt das britische Parlament ein, denn es war nicht einverstanden mit der Korruption, die innerhalb der Kompanie herrschte. Deshalb löste es die East India Company auf und beschlagnahmte alle Vermögenswerte. Und so begann die Zeit des britischen Kolonialreichs Britisch-Indien.
Indien wurde noch fast ein weiteres Jahrhundert lang von der englischen Krone beherrscht, bis es 1947 schließlich die Unabhängigkeit erlangte und in der Folge zum eigenen Nationalstaat wurde.
Die britische Bevölkerung in Indien war zwar nicht gerade zahlreich (im Vergleich zur indischen Bevölkerung), kontrollierte aber den Großteil des Reichtums und der politischen Institutionen des Landes. Die Briten erlegten den Einheimischen ihre Gesetze auf und dachten sich dabei auch jede Menge hinterhältige Gesetzestexte aus, die dazu gedacht waren, ihre Herrschaft über den indischen Subkontinent fortzuführen.
Während dieser Zeit war Englisch die Sprache der herrschenden Elite und obwohl Indien – wie bereits erwähnt – die Unabhängigkeit erlangte, blieb Englisch als Amtssprache erhalten.
Aufgrund der schieren Größe und Vielfältigkeit Indiens wäre es nicht fair gewesen, nur Hindi als Nationalsprache durchzusetzen. Zu viele Regionen hatten und haben keinerlei Berührungspunkte mit dieser Sprache, die sich aus dem Hindustani und Sanskrit-Einflüssen entwickelt hat. Deshalb erschien es logisch, Englisch als Lingua franca beizubehalten. So können Regionen, die ganz verschiedene Lokalsprachen verwenden zumindest auf Englisch effizient kommunizieren.
Heutzutage kommt das Indien natürlich auch im internationalen Kontext zugute, denn Englisch ist bekanntermaßen eine globale Geschäftssprache. So kommt es, dass Englisch in Indien weiter an Bedeutung gewinnt und für die höhere Bildung genauso wichtig ist wie fürs Business und Regierungsorganisationen.
Genau deshalb ist Indien auch ein super Ziel für eine Reise oder einen Auslandsaufenthalt – in den größeren Städten kommst Du gut mit Englisch durch. Aber wie wäre es auch mit Hindi lernen? Entdecke jetzt diese faszinierende Sprache, z.B. durch einen Sprachenaufenthalt in Indien!

Die bengalische Sprache in Indien
Bengalisch (oder auch "Bengali") ist unter den am meisten gesprochenen indischen Sprachen auf Platz 2 nach Hindi. Genau wie Hindi gehört es zur Sprachfamilie der indoarischen Sprachen.
Die moderne Form von Bengalisch entwickelte sich während des 19. und 20 Jahrhunderts, und zwar aus dem indischen Dialekt der Region Nadia, heute Teil des indischen Bundesstaats Westbengalen. Die Mehrzahl des Wortschatzes dieser modernen Form von Bengali ist aus den Sprachen Ardhamagadhi und Pali entlehnt. Man findet aber auch einige Wörter aus den Sprachen Sanskrit, Persisch und Arabisch sowie weiteren asiatischen Sprachen, mit deren Sprechern Einheimische in Kontakt kamen.
Heutzutage wird Bengalisch vorwiegend in den Bundesstaaten Westbengalen, Tripura und auch in Teilen von Assam sowie auf den Andamanen und Nikobaren gesprochen. Allein in Indien sprechen über 80 Mio. Menschen Bengalisch!
Insgesamt geben 250-300 Mio. Menschen auf der ganzen Welt Bengali als ihre Muttersprache an. Dadurch liegt die Sprache auf Rang 7 der am meisten gesprochenen Sprachen der Welt!
By the way: Sowohl die Nationalhymne Bangladeschs als auch jene Indiens wurden auf Bengalisch verfasst.
Marathi in Indien
Auch bei der Sprache Marathi handelt es sich um eine indoarische Sprache. Sie wird insbesondere an der Westküste Indiens, in den Staaten Goa und Maharashtra, gesprochen. Letzteres bedeutet, dass es die offizielle Sprache Mumbais (auch "Bombay") ist. Außerdem spricht man Marathi in den Unionsterritorien Daman und Dio sowie Dadra und Nagar Haveli. Obwohl Marathi keine Amtssprache des Staates Goa ist, kann jede offizielle Angelegenheit auch auf Marathi geführt werden.
Als eine der ältesten indoarischen Sprachen Indiens und da es die Amtssprache des Maratha-Reichs war, verbreitete sich Marathi weit über seinen Ursprung hinaus aus und zählt heute mehr als 83 Mio. Muttersprachler. Damit ist es unter den meistgesprochenen Sprachen in Indien auf Platz 3 (nach Hindi und Bengalisch).
Das älteste Schriftzeugnis in Marathi geht auf des 3. Jahrhundert v. Chr. zurück. Man geht davon aus, dass Marathi parallel zu Sanskrit existierte und sich die beiden Sprachen gegenseitig beeinflussten (vor allem auf lexikalischer Ebene). Weitere Einflüsse in die Marathi-Sprache kamen aus dem Persischen, Arabischen, Englischen sowie Portugiesischen (Goa war zwischenzeitlich unter der Herrschaft Portugals).
Obwohl die Sprache eine lange Geschichte und Tradition hat und auch als Literatursprache fungiert, wurde sie noch nicht auf die Liste der Klassischen Sprachen Indiens aufgenommen (der Antrag wurde aber schon mehrmals gestellt).
Die Sprache Telugu in Indien
Die Sprache Telugu liegt auf Platz 4 der am meisten gesprochenen Sprachen in Indien (nach Hindi, Bengali und Marathi). Es gehört zu der Sprachfamilie der dravidischen Sprachen – Linguisten konnten bisher allerdings noch nicht ausmachen, wo genau sich diese Sprachfamilie erstmals entwickelte. Manche gehen davon aus, dass diese Sprachen in Indien entstanden, andere sind der Meinung, dass sie vor tausenden von Jahren durch Migrationsströme auf den indischen Subkontinent kamen.

Wo auch immer sie entstanden sind, die dravidischen Sprachen (also auch Telugu) werden vor allem in Süd- und Südostindien gesprochen. Kleinere Sprechergemeinschaften von mit Telugu verwandten Sprachen finden sich auch in Pakistan, Afghanistan, Nepal, Bangladesch, Bhutan, Malaysia, Indonesien und Singapur.
Telugu ist in den Bundesstaaten Andhra Pradesh und Telangana sowie dem Unionsterritorium Puducherry offizielle Amtssprache. Aufgrund verschiedener Migrationsströme gibt es aber auch in anderen Regionen Indiens Telugu-Sprecher: Tamil Nadu, Karnataka, Maharashtra, Odisha, Chhattisgarh, in Teilen von Jharkhand und der Region Kharagpur in Westbengalen. Und auch auf den Andamanen und Nikobaren wird Telugu verwendet. Interessanterweise ist Telugu außerdem die Sprache des fahrenden Volkes Ahikuntaka aus Sri Lanka.
Aufgrund der Tatsache, dass Telugu eine der ältesten Sprachen in Indien ist (historische Belege reichen bis ins 4. Jahrhundert v. Chr. zurück), wurde die Sprache von der indischen Regierung (neben fünf anderen indischen Sprachen) auf die Liste der Klassischen Sprachen Indiens aufgenommen.
Tamilisch in Indien
Tamilisch liegt mit mehr als 60 Mio. Muttersprachlern auf Rang 5 der am meisten gesprochenen Sprachen Indiens. Wie Telugu gehört es auch zu den dravidischen Sprachen.
Die tamilische Sprache ist eine der 22 indischen Sprachen, die durch den 8th Schedule of the Indian Constitution als offizielle Sprachen in Indien anerkannt sind. Tamil ist im Bundesstaat Tamil Nadu sowie dem Unionsterritorium Puducherry offiziell Amtssprache, wird aber auch von kleineren Sprechergruppen in den Staaten Andamanen und Nikobaren, Kerala, Karnataka und Andhra Pradesh verwendet.
Auch in zwei anderen Ländern wird es als offizielle Sprache verwendet: In Singapur und auch in Sri Lanka. In folgenden Ländern spielt es aufgrund seiner bedeutenden Diaspora eine wichtige Rolle als Minderheitensprache: Kanada, Malaysia, Singapur, Philippinen, Mauritius, Südafrika, Indonesien, Thailand, Myanmar und Vietnam.
Tamil ist eine der ältesten noch existierenden klassischen Sprachen überhaupt auf der Welt und die älteste in Indien verzeichnete Sprache. Im Jahr 2004 wurde Tamilisch dank erfolgreicher Lobbyarbeit zur ersten der Klassischen Indischen Sprache ernannt.
Die Sprache Urdu in India
Wie Du vielleicht schon mal gehört hast, sind Urdu und Hindi zwei Varietäten ein und derselben Ursprache: Hindustani.
Im Mündlichen können sich Urdu- und Hindi-Sprecher problemlos miteinander unterhalten, doch wenn sie stattdessen einen Brief oder eine E-Mail schreiben müssen, wird es schon schwieriger, denn die beiden Sprachvarietäten verwenden nicht das gleiche Alphabet.
Stattdessen wird Hindi im Devanagari-Alphabet (das aus der Brahmi-Schrift stammt) geschrieben, während man für Urdu ein persianisiertes System verwendet, das – Überraschung – auf das persische Alphabet zurückgeht (das von den Mogulherrschern aus dem Westen ins Land gebracht worden war).
Urdu wurde im Jahr 1947 zur Nationalsprache Pakistans, als das Land von Britisch-Indien unabhängig geworden war. Es ist außerdem als Amtssprache in den folgenden indischen Bundesstaaten anerkannt: Jammu und Kashmir, Telangana, Uttar Pradesh, Bihar, Jharkhand und Westbengalen. Auch in manchen Teilen Nepals wird Urdu gesprochen.

Der Unterschied zwischen Urdu und Hindi (abgesehen von den bereits erwähnten unterschiedlichen Alphabeten) ist hauptsächlich soziopolitisch. Hindi ist traditionellerweise eher die Sprache der hinduistischen Religionsgemeinschaft, während Urdu von der muslimischen Bevölkerung verwendet wird (natürlich gibt es immer Ausnahmen, aber das ist die wichtigste identitätsstiftende Aufteilung). Allerdings wird Urdu nicht nur in den Bundesstaaten genutzt, in denen es offiziell als Amtssprache anerkannt ist, sondern auch in anderen – mehrheitlich hinduistisch geprägten –Bundesstaaten, wo muslimische Communities und Hindus friedlich zusammenleben.
Heutzutage gibt es bezüglich der Sprachen zwar teilweise immer noch Spannungen in manchen Gebieten Indiens (z.B. Jammu und Kaschmir), doch im Allgemeinen haben Hindi-Sprecher keine Probleme, persische oder arabische Wörter zu entlehnen und Urdu-Sprecher benutzen auch Wörter, die ursprünglich aus dem Sanskrit stammen. In der Fachsprache und Literatur gibt es zwar noch größere Unterschiede, aber die gesprochenen Formen von Hindi und Urdu nähern sich immer mehr an. Diese Nähe zu anderen Sprachen ist einer von vielen Gründen, Hindi zu lernen.
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