Die Geschichte der Zahlen und der Mathematik beginnt im Altertum, lange vor Beginn unserer Zeitrechnung. In den unterschiedlichsten Teilen der Welt fanden verschiedene Kulturen einen Weg, zu zählen, Ziffern aufzuschreiben und Berechnungen durchzuführen. Obwohl die meisten davon nichts voneinander wussten und sich dementsprechend auch nicht austauschen konnten, kamen sie zu erstaunlich ähnlichen Ergebnissen und machten zum Teil fast gleichzeitig dieselben Entdeckungen.
Auch die Gründe für die Beschäftigung mit der Mathematik sind immer wieder dieselben. Einerseits hängen mathematische Vorgehensweisen eng mit der Astronomie zusammen. Seit vielen Jahrtausenden beobachteten die Menschen die Geschehnisse am Himmel, versuchten sie zu verstehen und zu dokumentieren. Daraus sind schließlich Kalender entstanden, die insbesondere für die Landwirtschaft von großer Bedeutung waren.
Andererseits sind die Anfänge der Mathematik mit der Entstehung von sogenannten Hochkulturen verknüpft. Eine Hochkultur definiert sich dadurch, dass eine große Anzahl von Menschen in einer komplex organisierten Gesellschaft zusammenlebt. Es gibt eine Aufgabenverteilung und in der Regel auch eine Bürokratie, die Regelungen zu Abgaben und Steuern schafft. Mathematische Kenntnisse, ein Zahlensystem sowie eine einheitliche Ziffern-Schrift sind unter anderem notwendig, um Abgaben zu berechnen, Land zu vermessen und große Gebäude zu bauen.
Bei all den Gemeinsamkeiten gab es aber auch deutliche Unterschiede zwischen den Kulturen. Während wir heute zur internationalen Verständigung ein einheitliches Zahlen-System verwenden, fand im Altertum jede Gesellschaft ihre eigene Denk- und Schreibweise. Entdecke mit uns, wie die Zahlensysteme und die Mathematik in der Maya-Kultur, im Alten China, in Babylon sowie im Alten Ägypten funktionierten.
Das Zahlensystem im Alten Ägypten
Das berühmteste und wichtigste Dokument, das uns Aufschluss über das Mathematik- und Zahlenverständnis im Alten Ägypten gibt, ist der Papyrus Rhind; ein Schriftstück, das als eine Art Handbuch zur Lösung alltäglicher mathematischer Probleme angesehen werden kann. Darin finden sich Rechenoperationen aus den verschiedensten Bereichen.
Das Zahlensystem im Alten Ägypten ist ein Dezimalsystem. Durch diese Gemeinsamkeit mit dem heute standardmäßig verwendeten System, ist es für uns recht einfach und intuitiv zu verstehen. Du musst lediglich sieben verschiedene Symbole kennen, um jede ägyptische Hieroglyphen-Zahl lesen und schreiben zu können. Diese Zeichen stehen jeweils für eine Zehnerpotenz: 1, 10, 100, 1000, 10.000, 100.000 und 1.000.000. Um andere Zahlen zu schreiben, werden ein Zeichen einfach so oft notiert, bis der entsprechende Wert erreicht ist.

Da die Schreibweise in Hieroglyphen aber recht umständlich und vor allem unübersichtlich ist, wurde im 3. Jahrhundert v.Chr. die sogenannte hieratische Zahlenschrift eingeführt. In dieser werden mehrteilige Symbole zu einem zusammengezogen und vereinfacht dargestellt. Die hieratische Zahlenschrift umfasst insgesamt 36 unterschiedliche Ziffern, mit denen sich alle Zahlen von 1 bis 9.999 unmissverständlich darstellen lassen.
Im Alten Ägypten wurde aber nicht nur mit ganzen Zahlen, sondern auch bereits mit Brüchen gerechnet. Jedoch wurden, bis auf den Bruch 2/3, nur Stammbrüche verwendet. Stammbrüche sind Brüche, bei denen eine 1 im Zähler steht. Notiert wurde dies mit der Hieroglyphen-Zahl im Nenner und einem darüberliegenden Oval, das die Zeichenkombination als Bruch kennzeichnet. Um einen Bruch exakt zu notieren, wurde er in Stammbrüche zerlegt, die direkt nebeneinander geschrieben wurden.
Die Zahlen und das Rechnen im Alten China
Die Erforschung der Geschichte der Mathematik im Alten China ist leider nicht ganz einfach. Während der Qin-Dynastie wurden um das Jahr 213 v.Chr. unzählige Bücher und Dokumente gezielt vernichtet. Dadurch ging wahrscheinlich auch ein Großteil der bisherigen mathematischen Aufzeichnungen verloren. Glücklicherweise konnten sich einige Menschen an die Inhalte der Bücher erinnern und schrieben sie aus dem Gedächtnis neu auf. Dadurch ist aber nicht mehr genau nachzuvollziehen, aus welcher Zeit das Wissen stammt und ob nicht etwas hinzugefügt oder verändert wurde.

Immer mal wieder werden aber bei Ausgrabungen Artefakte gefunden, die Rückschlüsse über die Entwicklung der Mathematik-Kenntnisse im Alten China zulassen. Die erst vor wenigen Jahren gefundenen Tsinghua Bamboo Slips wurden auf die Zeit zwischen 480 und 221 v.Chr. datiert und erlangten als "älteste Dezimal-Multiplikationstabelle" weitreichende Bekanntheit.
Es wurde also auch im Alten China mit einem Dezimalsystem gerechnet und gezählt. Es gibt Ziffern von 1 bis 9 sowie Bezeichnungen für die Zehnerpotenzen. Um eine mehrstellige Zahl zu bilden, reiht man einfach die entsprechenden Elemente aneinander: Anzahl Tausend Anzahl Hundert Anzahl Zehn Anzahl Eins. Auch heute noch werden in China die Zahlen nach diesem Prinzip benannt.
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 100 | 1000 | 100.000 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
一 | 二 | 三 | 四 | 五 | 六 | 七 | 八 | 九 | 十 | 百 | 千 | 万 |
yī | èr | sān | sì | wǔ | liù | qī | bā | jiǔ | shí | bǎi | qiān | wàn |
Neben den Schriftzeichen für die Ziffern kennt man in China auch heute noch das traditionsreiche Rechnen mit Rechenstäbchen. Jede Zahl von eins bis neun kann mit maximal fünf Stäbchen gelegt werden. Um mehrstellige Zahlen darzustellen, wechselt man von der einen zur nächsten Stelle jeweils zwischen der horizontalen und der vertikalen Legeweise ab.
Die Rechenstäbchen eignen sich auch hervorragend, um die vier Grundrechenarten auszuführen. Sie bieten eine visuelle Unterstützung für den Rechenvorgang und erleichtern dadurch das Verständnis.
Das Zahlensystem der Sumerer
Die Sumerer waren ein Volk, das in Mesopotamien lebte. Nach langjähriger Vorherrschaft in der Region wurden sie von den Akkadern abgelöst, die das babylonische Reich gegründeten. Das Wissen und die Errungenschaften der Sumerer wurden aber nach wie vor geschätzt und rege genutzt. Auch heute noch profitieren wir von den Innovationen dieser frühen Hochkultur: Den Sumerern wird gemeinhin die Erfindung des Rads und der Schrift zugeschrieben. (In Tatsache wurden beide nicht nur einmal erfunden, sondern entstanden in verschiedenen Teilen der Welt parallel.)
Die Schrift der Sumerer wird auch Keilschrift genannt. Da sie ihre Texte und Zeichen in heißen Ton einritzen, benutzten sie ausschließlich gerade Linien und keine geschwungenen Formen. Dies sieht man auch an ihren Zahlen. Zwei einfache Symbole reichen aus, um jede beliebige Zahl darzustellen. Das sumerische Zahlensystem kennt ein Zeichen für die Ziffer 1 und ein zweites für die Ziffer 10. Durch die Kombination dieser beiden Zeichen werden die Zahlen von 1 bis 59 dargestellt.

Ab der Zahl 60 wird eine zweite Stelle nötig. Diese wird in etwas Abstand links vor die erste geschrieben. Der große Unterschied zwischen dem Zahlensystem der Sumerer und vielen anderen Systemen, einschließlich unseres heute verwendeten, ist, dass es sich um ein Sexagesimalsystem handelt. Das bedeutet, dass es nicht Basis 10, sondern die Basis 60 verwendet. Um die Zahl 62 zu schreiben, notiert man also das Symbol für 1 und das Symbol für 2.
60³ | 60² | 60¹ | 60⁰ |
---|---|---|---|
216.000 | 3600 | 60 | 1 |
Bis heute sind Spuren dieses Systems erhalten geblieben. Wir finden es beispielsweise in der Zeitmessung (60 Sekunden = 1 Minute; 60 Minuten = 1 Stunde) oder in der Winkelmessung (360° bilden einen Kreis).
Die Zahlen in der Maya-Kultur
Die älteste Hochkultur Mittelamerikas waren die Maya, um die sich bis heute viele Mythen ranken. Tatsächlich sind viele Fragen in Bezug auf ihre Geschichte noch ungeklärt und lassen Spielraum für Interpretationen und Fantasien. Besonders berüchtigt ist der Kalender der Maya, der äußerst komplex und faszinierend präzise ist. Dieser Kalender war es auch, der vielen Menschen befürchten ließ, dass der Weltuntergang im Dezember 2012 kurz bevorstand.
Die Hysterie basierte aber auf einem falschen Verständnis des Kalenders. Maya-Forscher*innen betonen immer wieder, dass dieser kein Enddatum hat, sondern jedes beliebige Datum bis in alle Ewigkeit hinein darstellen kann. Dass der Maya-Kalender eine solch große Aufmerksamkeit erhält ist jedoch keineswegs überraschend. Er ist ein mathematisches Meisterwerk, der das Zahlensystem der Maya auf seine ganz eigene Weise verwendet.
Von allen Kulturen, die wir dir in diesem Artikel vorstellen, hatten die Maya die einfachsten Schriftzeichen für ihre Ziffern. Ein Strich und ein Punkt reichen aus, um alle Zahlen ab 1 darzustellen. Zusätzlich kannten die Maya bereits ein Symbol für den Wert 0 als Platzhalter in mehrstelligen Zahlen.

Interessanterweise liegt den Ziffern der Maya, dieselbe Logik zugrunde wie den chinesischen Rechenstäbchen. Die 5 wird als eine Einheit verstanden. Dies kommt wahrscheinlich von der Tatsache, dass die Menschen häufig ihre Finger zum Zählen verwenden. Dies wird auch als Ursprung des Dezimalsystems gesehen: zwei Hände = zehn Finger. Die Maya sahen aber wohl auch ihre Füße mit den jeweils fünf Zehen als eine gleichwertige Fünfereinheit. Ihr Zahlensystem nimmt nämlich die 20 zur Basis und heißt deswegen Vigesimalsystem.
20⁵ | 20⁴ | 20³ | 20² | 20¹ | 20⁰ |
---|---|---|---|---|---|
3.200.000 | 160.000 | 8000 | 400 | 20 | 1 |
Mehrstellige Zahlen schrieben die Maya übereinander. Der kleinste Wert befindet sich dabei jeweils ganz unten. Um eine Maya-Zahl zu lesen und vom Vigesimalsystem ins Dezimalsystem zu übertragen, rechnest du also die unterste Ziffer x1, die zweite x20, die dritte x400 usw. Am Ende addierst du alle Ergebnisse.
Das Zahlensystem im alten Rom
Das römische Zahlensystem war viele Jahrhunderte lang das wichtigste Zahlensystem im westlichen Kulturraum. Es basiert auf sieben Buchstaben – I, V, X, L, C, D und M – die jeweils bestimmte Zahlwerte darstellen. Mithilfe der Additions- und Subtraktionsregel lassen sich daraus sämtliche Zahlen bis in den Tausenderbereich darstellen. So bedeutet z. B. IV = 4 (5 − 1), XV = 15 (10 + 5), CM = 900 (1000 − 100). Eine Null gab es im römischen System nicht.
Im römischen Zahlensystem werden Zahlen addiert, wenn ein kleineres oder gleichwertiges Zahlzeichen rechts neben einem größeren steht. Dabei darf das gleiche Zeichen maximal drei mal hintereinander stehen. Zum Beispiel:
VI = 5 + 1 = 6 oder XV = 10 + 5 = 15.
Steht hingegen ein kleineres Zahlzeichen links neben einem größeren, wird subtrahiert. Das gilt als Abkürzung, um Wiederholungen zu vermeiden:
IV = 5 − 1 = 4, IX = 10 − 1 = 9.
Diese Regel macht das System kompakter – allerdings darf man nur I, X und C zur Subtraktion verwenden und subtrahieren darf man nur vor den nächstgrößeren Ziffern.
Römisches Zahlzeichen | Arabische Zahl | Lateinischer Name |
---|---|---|
I | 1 | unus |
V | 5 | quinque |
X | 10 | decem |
L | 50 | quinquaginta |
C | 100 | centum |
D | 500 | quingenti |
M | 1000 | mille |
Römische Zahlen wurden vor allem in der Antike für Inschriften, Bauwerke, Kalenderdaten und Rechnungen in der Verwaltung verwendet. Im Alltag begegnen sie uns heute z. B. auf Uhren, bei Kapitelnummerierungen oder zur Darstellung von Jahreszahlen wie MMXXV = 2025.
Die Grenzen des römischen Systems wurden deutlich, als mathematische Berechnungen und große Zahlen zunehmend an Bedeutung gewannen. Mit der Einführung der arabischen Ziffern inklusive der Null um das 12. Jahrhundert wurde das römische Zahlensystem nach und nach abgelöst.
🔢 Grundzahlen (Cardinalia)
Diese geben eine Menge an und sind nicht deklinierbar (meist bis 3):
unus, duo, tres → eins, zwei, drei
decem = zehn, centum = hundert
📈 Ordnungszahlen (Ordinalia)
Sie geben eine Reihenfolge an und werden wie Adjektive dekliniert:
primus, secunda, tertium → der Erste, die Zweite, das Dritte
decimus = der Zehnte, centesimus = der Hundertste
Ergänzend zu den römischen Zahlzeichen gibt es im Lateinischen auch sogenannte Zahlwörter – Grundzahlen (Cardinalia) und Ordnungszahlen (Ordinalia) – die vor allem in der Sprache eine Rolle spielten. Sie sind grammatikalisch deklinierbar und im Lateinunterricht bis heute präsent.