"Ich kann euch zu Weihnachten nichts geben, ich kann euch für den Christbaum, wenn ihr überhaupt einen habt, keine Kerzen geben, kein Stück Brot, keine Kohle zum Heizen, kein Glas zum Einschneiden. Wir haben nichts. Ich kann euch nur bitten, glaubt an dieses Österreich!" - Weihnachtsansprache 1945 von Leopold Figl
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs musste eine neue Staatsform für Österreich entwickelt werden. Die Überlegungen, wie es mit dem Land weitergehen soll, wurden jedoch schon vor Kriegsende begonnen, als die letzten Kämpfe ausgetragen wurden. Österreich befand sich in der Schwebe und die Entscheidung über die Zukunft des Landes lag weitestgehend in den Händen der Alliierten, die sowohl Österreich als euch Deutschland besetzten. Die Wiedererlangung der Souveränität sollte noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
In diesem Beitrag werden wir den Weg dahin näher betrachten und erläutern, wie sich Österreich nach dem 2. Weltkrieg entwickelte. Am besten liest du auch unsere anderen Beiträge über die Geschichte Österreichs, denn nur so ist ein umfassendes Verständnis möglich. Und wenn man etwas versteht, dann merkt man es sich auch besser ;) In unserem Beitrag Österreich und der 2. Weltkrieg erhältst du einen Einblick in die der Zweiten Republik vorausgegangenen Ereignisse.
Wie war nun die nachkriegliche Situation Österreichs? Welche Meilensteine führten zu dem Österreich, wie wir es heute kennen? Blicken wir als erstes zurück in den April 1945, den Monat, in dem Adolf Hitler Selbstmord beging, worauf das Kriegsende am 8. Mai 1945 folgte.
Österreich unter dem Einfluss der Besatzungsmächte
Der Sieg der Allierten war für Österreich sowohl die Befreiung vom nationalsozialistischen Regime als auch eine Zeit der Besetzung von den Siegermächten. Diese Polarisierung spiegelte sich auch wider in der Frage nach Österreichs Rolle im Krieg und der damit verbundenen Opfer - und Täterthematik. Diese Themen begleiteten Österreich noch längere Zeit und auch die erste Regierung nach dem Krieg trug die Vergangenheit in sich und war Anlass vieler Debatten.
Nach dem Krieg bildeten sich die 3 politischen Parteien, die die Zweite Republik begründeten: Die SPÖ, die ÖVP und die KPÖ. Am 27. April 1945 wurde eine provisorische Regierung eingerichtet mit Karl Renner als Staatskanzler, der Tag gilt als der Beginn der Zweiten Republik. Karl Renner war auch schon nach dem 1. Weltkrieg am Aufbau der 1. Republik beteiligt und Staatskanzler gewesen. Lies dazu auch unseren Artikel zur Ersten Republik Österreichs.
Karl Renner unterzeichnete gemeinsam mit Adolf Schärf (SPÖ), Leopold Kunschak (ÖVP) und Johann K0plenig (KPÖ) am selben Tag die Österreichische Unabhängigkeitserklärung, womit der kurz vor dem 2. Weltkrieg erfolgte Anschluss an das deutsche Reich aufgehoben wurde. Ganz unabhängig war Österreich damit noch nicht, war es doch noch unter der Besetzung der Alliierten.
Die provisorische Regierung bedurfte daher der Zustimmung der Besatzungsmächte. Karl Renner, der schon vor dem 2. Weltkrieg eine wichtige Rolle in der politischen Vergangenheit von Österreich spielte, hatte bereits am 1. April 1945 Kontakt mit in Österreich kämpfenden Truppen der Sowjetunion aufgenommen, um sich für die Bildung einer Regierung anzubieten. Die Sowjetunion hatte ihm seine Zustimmung erteilt und wollte ihn sogleich auch mit der Leitung der Regierung beauftragen.
Aufgrund des Verdachts der Westalliierten (Frankreich, Großbritannien und USA), dass Karl Renner von der Sowjetunion beeinflusst wäre, wurde die Regierung von diesen nicht anerkannt - die Regierung war daher anfangs nur in den östlichen, von der Sowjetunion besetzten Gebieten wirksam. Am 10. Oktober 1945 wurde die Regierung schließlich auch von den Westalliierten anerkannt und es kam daraufhin zur ersten Nationalratswahl.
Die Besatzungszonen dauerten bis zum Jahr 1955 fort und die Situation im Nachkriegs-Österreich war besonders am Anfang stark von den Besatzungsmächten und den verschiedenen Zoneneinteilungen geprägt:
- Vorarlberg und Teile von Tirol waren unter französischer Besatzung
- Die Steiermark, Kärnten und Osttirol standen unter der Besatzung Großbritanniens
- Salzburg und Teile Oberösterreichs waren von den USA besetzt
- Burgenland, Niederösterreich (mit Wien) und das Mühlviertel standen unter Besatzung der Sowjetunion
Wollte man in eine andere Besatzungszone reisen, benötigte man einen von den Alliierten ausgefertigten Identitätsnachweis. | Foto von Karl Gruber - Quelle: Wikimedia Commons
Im "Abkommen über die alliierte Kontrolle" und dem "Abkommen der Alliierten über die Besatzungszonen", die im Juli 1945 unter den Allierten vereinbart wurden, wurde die Einteilung der Besatzungszonen und die militärische Regierung durch die Allierten beschlossen. Die österreichische Regierung konnte also nicht unabhängig von den Alliierten agieren.
Die Wiederherstellung der österreichischen Verfassung
Wie bereits erwähnt wurde, fanden nach der Anerkennung der Staatsregierung mit Karl Renner als Staatskanzler, die ersten Nationalratswahlen am 25. November 1945 statt. Zur Enttäuschung der Sowjetunion konnte die KPÖ keine Mehrheit erlangen, die ÖVP hatte die meisten Stimmen, gefolgt von der SPÖ. Im Dezember wurde die Bundesverfassung, wie sie in der Ersten Republik vor der Umwandlung in die Ständestaatsdiktatur bestanden hatte, wiederhergestellt.

Karl Renner wurde zum Bundespräsidenten der 2. Republik ernannt, Leopold Figl zum Bundeskanzler. Ein weiteres Kontrollabkommen der Alliierten, das im Juni 1946 unterzeichnet wurde, gestand der Regierung eine größere Entscheidungsbefugnis ein - Gesetze, die die Verfassung betrafen, bedurften jedoch der Zustimmung der Alliierten.
Wien wurde im Juni 1946 in die heute gültigen 23 Bezirke eingeteilt - viele Teile von Niederösterreich, die nach dem Anschluss an das deutsche Reich in Wien eingegliedert wurden, wurden wieder zu Niederösterreich gezählt.
Weitere Entwicklungen in der 2. Republik
Die Aufarbeitung der Kriegsgeschehnisse ging zäh voran. Die österreichische Politik stellte die Rolle Österreichs im 2. Weltkrieg als die des Opfers der Nationalsozialisten dar, die eigene Verantwortung wurde dagegen kaum wahrgenommen. Hinzu kam, dass viele Politiker, die den Nationalsozialisten angehört hatten, auch nach dem 2. Weltkrieg politische Ämter bekleideten. Nach dem Verbot der nationalsozialistischen Partei kamen diese in anderen Parteien unter.
Die Zweite Republik war zudem auch mit den wirtschaftlichen Folgen des Krieges konfrontiert.
Im Folgenden werden wir dir einige der wichtigen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen schildern. Über die österreichische Geschichte gibt es natürlich noch viel mehr zu erzählen, sowohl was die Entwicklungen in der 2. Republik betrifft, als auch die davor. Wenn du darüber hinaus weitere Informationen haben möchtest oder auf der Suche nach jemandem bist, der dir Geschichtskenntnisse vermitteln kann, dann kannst du dich auch einmal auf der Vermittlungsplattform von Superprof umsehen. Du findest bei uns private Lehrkräfte, die dir Geschichte und viele andere Themengebiete beibringen können.
Politische Entwicklungen in der Zweiten Republik
Wie bereits erwähnt wurde, war Österreich für einige Zeit noch unter der Besatzung der Alliierten, politische Entscheidungen konnten nicht gänzlich ohne deren Zustimmung getroffen werden. Im weiteren Verlauf der 2. Republik erhielt die österreichische Politik jedoch nach und nach mehr Befugnisse. Anfangs gab es die 3 Parteien SPÖ, ÖVP und KPÖ. 1949 kamen zwei neue Parteien hinzu: Die Linkssozialisten, die sich 1956 der KPÖ anschlossen und die VdU, die Vorgängerpartei der FPÖ.
Erst mit dem Österreichischen Staatsvertrag, der unter der Regierung mit Julius Raab als Bundeskanzler zustande kam, kam es letztlich zur Souverenität und dem Abzug der Allierten. Der Staatsvertrag wurde am 15. Mai 1955 unterzeichnet, am 7. Juni vom Nationalrat ratifiziert und trat am 27. Juli 1955 in Kraft. Leopold Figl, der zu diesem Zeitpunkt Außenminister war, hatte die Allierten noch dazu bewegen können, die Mitschuld Österreichs am 2. Weltkrieg nicht im Staatsvertrag zu fixieren.
Am 26. Oktober 1955 legte der Nationalrat die Neutralität Österreichs fest, was in weiterer Folge dazu führte, dass der 26. Oktober als der österreichische Nationalfeiertag gilt. Am 14. Dezember des selben Jahres trat Österreich der UNO bei. Seit 1. Jänner 1995 ist Österreich Mitglied der Europäischen Union.

Mit dem Beitritt in die EU wurde Österreich wieder Teil eines Zusammenschlusses mehrerer Staaten und Völker - wenn auch auf etwas andere Weise als dies im Vielvölkerstaat der Monarchie Österreich-Ungarn der Fall war.
Bundeskanzler 2. Republik
Nach dem 1. gewählten Nationalrat mit Leopold Figl (ÖVP) als Bundeskanzler, der die darauffolgenden beiden Wahlen wiedergewählt wurde, kam es zu vier Regierungen mit Julius Raab (ÖVP) als Bundeskanzler. Auch die beiden darauffolgenden Bundeskanzler waren ÖVP-Politiker. Das änderte sich im Jahr 1970, als Bruno Kreisky aus der SPÖ Kanzler wurde, gefolgt von Fred Sinowatz und Franz Vranitzky und Viktor Klima - ebenfalls SPÖ Politiker. Mit Wolfgang Schüssel bekam das Land im Jahr 2000 wieder einen Bundeskanzler aus der ÖVP.
Im Allgemeinen befanden sich im bisherigen Verlauf der 2. Republik immer Politiker der ÖVP und SPÖ im Kanzleramt wieder. Wenn du wissen möchtest, wie sich die Regierungen im Laufe der 2. Republik genau zusammensetzten, dann findest du hier eine Auflistung der Regierungen seit 1945.
Wirtschaftliche Entwicklungen in der Zweiten Republik
Der Krieg hat auch wirtschaftlich viel Schaden angerichtet. Wie auch schon nach dem Ersten Weltkrieg waren die Folgen deutlich spürbar. Österreich musste zwar keine Reparationen an die Siegermächte zahlen, um deren Schäden auszugleichen - ein Ausgleich wurde jedoch auf andere Weise vorgenommen. So kam es vor allem durch die Sowjetunion zur Beschlagnahmung von betrieblichen Gütern - insbesondere derjenigen, die sich in deutschem Eigentum befanden.
Da für die österreichische Wirtschaft keine Besserung in Sicht war, wurde am 2. Juli 1948 ein Abkommen zwischen den USA und Österreich geschlossen. Mit Hilfe des sogenannten Marshall-Plans sollte die europäische Wirtschaft unterstützt werden. Österreich erhielt auf diese Weise viele Millionen an Wirtschaftshilfe von den USA.
In der Regierungszeit von Bundeskanzler Julius Raab ab 1953 konnte sich die wirtschaftliche Situation zum Positiven wenden und der Schilling wurde stabilisiert. 1960 trat Österreich der EFTA (Europäische Freihandelsassoziation) bei.
Am 1. Jänner 1999 wurde der Schilling von der Gemeinschaftswährung der EU, dem Euro, abgelöst.

Nun sind wir schon am Ende unseres Beitrags angelangt. Wir freuen uns, wenn du Spaß beim Lesen hattest :) Falls du mehr über die Entwicklung Österreichs erfahren möchtest, dann könnte dich übrigens auch unser Übersichtsbeitrag zur Geschichte Österreichs ab 1900 interessieren.